Die wundersame Rettung der kleinen Tamar
Ein jüdisches Mädchen überlebt den Holocaust in Osteuropa
„Gott sei Dank bist du noch am Leben geblieben.“ Das sagte am Ende des Kriegswahnsinns der jüdische Rotarmist zur Mutter der kleinen Tamar. Beide haben den Holocaust, die geplante Vernichtung allen jüdischen Lebens in Europa, überlebt. Indem die Mutter nach tagelangem Martyrium im Viehwaggon sich nach Ankunft im Durchgangslager Tauroggen mit ihrer Tochter ankleidete, schminkte und herausging.
Ein einmaliger, unerhörter Vorgang, auf den die wachhabenden Menschenschänder nicht vorbereitet waren. Die vierjährige Tamar und ihre Mutter hielten sich bis Kriegsende mit Diensten auf unterschiedlichen Höfen über Wasser – immer auf der Hut, nicht entdeckt, verraten und ermordet zu werden.




Von diesem Leben erzählt eindrucksvoll die siebenundachtzigjährige Tamar Dreifuss an einem Dienstag im Mai 2025 einer Gruppe von 13-17-Jährigen Schüler*innen in der Bibliothek des Are Gymnasiums. Die Frage, ob sie nach ihrer Rettung Angst gehabt hatte, beantwortet sie mit nein. „Die Juden wurden nicht geliebt“, untertreibt sie. Aber Angst habe sie nicht gehabt. Und ob sie heute ein normales Leben führe, bejaht sie. Anfangs habe sie bei öffentlichen Erzählungen über ihr Leben geweint, aber heute nicht mehr.
Von der Nachkriegsgesellschaft hätte sie sich gewünscht, dass sie ehrlich geäußert hätten, „wir wussten es, aber wir hatten Angst.“ Statt sich mit dem millionenfach geäußerten Satz „Wir wussten es nicht.“ freisprechen zu wollen.
Und ja, es kann wieder passieren, antwortet sie auf die Frage eines Schülers. In der Holocaust Gedenkstätte in Berlin, dem „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ steht das Zitat des Überlebenden Primo Levi (1919-1987), der 1987 davor warnte, im Gedenken an die Verbrechen des Holocaust nachzulassen: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“